Organisationslehre. 2. Aufbauorganisation

2.1 Spezialisierung und Zentralisation

Organisationen gliedern die zur Erreichung ihrer Ziele notwendigen Aktivitäten auf und verteilen sie auf die einzelnen Mitglieder (Arbeitsteilung). Die Regeln zur Spezialisierung legen die Aufgaben der einzelnen Organisationsmitglieder auf Dauer fest. Die Prinzipien der Aufgabenbildung beruhen auf den Gliederungskriterien, die bei der Aufgabenanalyse verwandt wurden, also Verrichtung, Objekt, Rang, Phase und Zweckbeziehung (Wittlage 1998 : 70). Die Teilaufgaben lassen sich nach diesen 5 Kriterien bündeln. Dabei können sowohl ausführende Aufgaben als auch Entscheidungen mehr zentral als auch mehr dezentral erledigt werden.

Zentralisation:
Von Zentralisation spricht man, wenn gleichartige oder ähnliche Arbeiten einheitlich von einer Stelle oder Abteilung erledigt werden. Vorteile einer zentralen Beschaffung zeigen sich etwa in Form von günstigeren Einkaufskonditionen und Rationalisierungsvorteilen. In ähnlicher Weise kann Zentralisierung der Lagerverwaltung Kostenvorteile ermöglichen. Mögliche Nachteile einer Zentralisierung sind Bürokratisierung, Inflexibilität und lange Verwaltungswege. Dies hat den Nachteil, dass auf dieser Stelle immer nur die gleichen Tätigkeiten zu verrichten sind. Für den Stelleninhaber bedeutet dies Monotonie und wirkt demotivierend. Auf die Motivation und Initiative der untergeordneten Stellen wirkt Zentralisation meist negativ. Ihre Arbeitssituation wird monotoner.

Dezentralisation: Bei einer Dezentralisation werden gleichartige Aufgaben auf mehrere Stellen verteilt. Mögliche Nachteile: Rationalisierungs- und Spezialisierungsvorteile der internen Arbeitsteilung könne verloren gehen.

Ob Aufgaben mehr zentralisiert oder mehr dezentralisiert werden sollen, lässt sich nicht generell beantworten. Es kommt auf die konkrete Situation an. Während für einzelne Bereiche eine dezentralisierte Aufgabenerledigung von Vorteil ist, gibt es für andere Bereiche keine wirtschaftliche Alternative zu einer starken Zentralisation.


Entscheidungszentralisation oder Entscheidungsdezentralisation?

Entscheidungsaufgaben lassen sich mehr zentral oder mehr dezentral erledigen. Bei der Entscheidungszentralisation werden die Aufgaben mit Entscheidungscharakter zu Aufgabenkomplexen zusammengefasst und Instanzen zugeordnet. Die Aktionen der ausführenden Stellen werden durch die Instanzen gesteuert und kontrolliert. Zentral erledigt werden in der Regel Aufgaben, die für das Gesamtunternehmen von großer Bedeutung sind. So werden beispielsweise Entscheidungen in den Bereichen der strategischen Planung, der Investitionspolitik und der langfristigen Finanzierungspolitik von der Unternehmensführung zentral getroffen.

Dem steht das Prinzip der Entscheidungsdezentralisation gegenüber. Bei einer Entscheidungsdezentralisation werden Entscheidungsbefugnisse (manchmal auch als Kompetenz oder Entscheidungskompetenz bezeichnet) auf nachgeordnete Stellen übertragen oder delegiert. Das Aufgabenfeld für den Mitarbeiter wird dadurch erweitert.
Die Vorteile einer Delegation liegen in einer meist höheren Motivation, einem größeren Verantwortungsgefühl und mehr Arbeitsfreude bei den Beschäftigten. Auch die Qualität der Entscheidungen kann steigen: Wegen ihrer größeren Detailkenntnis können Mitarbeiter im Rahmen ihres Arbeitsumfeldes situationsgerechter und schneller entscheiden. Mögliche Nachteile einer Entscheidungsdezentralisierung: Verantwortlichkeiten werden verwischt und zwischen den Organisationseinheiten kann es zu Kompetenzstreitigkeiten kommen.

Kriterium

Entscheidungszentralisation

Entscheidungsdezentralisation

Kosten

Niedrig, wenig qualifiziertes Personal wird benötigt

Höhere Personalkosten

Entscheidungsqualität

Geringere Informationsgrad der Entscheider, daher eher schlechter

Höherer Informationsgrad, daher besser

Kommunikationswege

Belastung der vertikalen Kommunikationswege

Entlastung

Koordination

Geringer Koordinationsaufwand

Erhöhter Aufwand

Humane Aspekte

Beschränkung von Kreativität und Initiative

Mehr Freiraum für Kreativität und Initiative

[Wittlage 1998, 76, gekürzt]


Fallweise Entscheidungen oder generelle Regelungen

a) Fallweisen Entscheidungen: Das bedeutet, dass Entscheidungen für den konkreten Vorgang getroffen werden und nur für diesen gültig sind. Sie sind dann angebracht, wenn die betrieblichen Verhältnisse unübersichtlich und unbeständig sind. Komplizierte und unregelmäßig anfallende Aufgaben verlangen meist nach fallweisen Entscheidungen. Für die Entscheidungsträger bedeutet dies einen großen Entscheidungsspielraum.  Wenn sich betriebliche Tatbestände stabilisieren, lasse sich immer mehr fallweise Regelungen durch generelle Regelungen ersetzen. Dieser Trend zeigt sich um so deutlicher, je größer die Organisationseinheiten sind.

b) Generelle Regelungen: Generelle oder allgemeine Regelungen schränken den Entscheidungsspielraum ein. Sie werden für Aufgaben formuliert, die sich immer in gleicher oder ähnlicher Weise wiederholen. Gleichartige Vorgänge werden immer in gleicher Weise durchgeführt. Je größer die Gleichartigkeit, Regelmäßigkeit und Wiederholungshäufigkeit in den betrieblichen Vorgängen, um so mehr allgemeine Regelungen können getroffen werden. Generelle Regelungen bestehen in Form von Geschäftsgrundsätzen, Verfahrensvorschriften, Richtlinien und Formularen.

Der Vorteil genereller Regelungen: Die Zahl der Einzelfallentscheidungen sinkt und Führungsaufgaben werden vereinfacht. Mitarbeiter der unteren Ebenen empfinden vermehrte Regelungen allerdings oft als dämpfend für ihre Motivation und Arbeitsfreude. Ihre Entscheidungsfreiheit wird eingeengt und ihnen bleiben vorwiegend nur noch die ausführenden Tätigkeiten.

Ob nun generelle oder fallweise Regelungen besser sind, lässt sich nicht allgemein beantworten. Es geht darum, ein zweckmäßiges Verhältnis beider Regelungsformen zu finden. Das Prinzip des organisatorischen Gleichgewichts versucht, ein sinnvolles Verhältnis zu finden zwischen grundsätzlicher Regelung und fallweiser Entscheidung. Es muss ein Ausgleich zwischen dem stabilen, aber unelastischen generellen Regelsystem und dem elastischen, aber unstabilen System fallweiser Entscheidungen gefunden werden. Unnötige organisatorische Einschränkungen durch Regelungen, die selbst Kleinigkeiten bis ins Detail festgelegen, wirken demotivierend auf die Mitarbeiter. Man spricht dann von einem überorganisierten Betrieb. Wenn die Regelungen zu schwach ausgestaltet sind, handelt es sich um einen unterorganisierten Betrieb.


Zell, Helmut: Die Grundlagen der Organisation – lernen und lehren, Norderstedt 2019